Marlene Amort 
 "Kunst hat die Aufgabe wachzuhalten, was für uns Menschen so von Bedeutung und notwendig ist." Michelangelo

PORTRAIT


Vivien Rathjen M.A. schreibt:

Die Künstlerin Marlene Amort ist fasziniert von solchen Anblicken „von Oben“. Alle ihre abstrakt anmutenden Werke sind eigentlich Wiedergaben von Landschaftsansichten aus der
Vogelperspektive. Marlene Amort hat ganz genaue Vorstellungen, wie ihre menschenleeren Landschaften aussehen sollen. Die Inspiration für ihre Motive nimmt sie aus tatsächlich
vorhandenen Ansichten der Erde von oben – aus dem Fernsehen, aus Bildbänden und von ihren Reisen. Es sind Landschaftsansichten, die in der Malerin das Gefühl großer Ehrfurcht
gegenüber der Schönheit und Vielfalt der Landschaftstypen auslösen und an denen sie sich nicht sattsehen kann. Für diese scheinbar unmögliche Landschaftsmalerei hat sie eigene Techniken entwickelt, die zwischen Chemielabor und mittelalterlicher Malerwerkstatt angesiedelt sind. Denn die einzigartigen Farbmischungen und Oberflächenstrukturen ihrer Bilder entstehen aus der Reaktion der aufgetragenen Farbstoffe mit Malgrund und Bindemittel. Der Pinsel ist dabei nur ein Arbeitsgerät von vielen. Amort ist stolz darauf, ihre eigenen Werkzeuge herzustellen, mit denen sie schüttet, schüttelt, wischt, haucht, bürstet, drückt, kratzt, rührt, kippt und dreht. Was auf den ersten Blick wie ein zufälliger Farbauftrag aussieht, ist in Wirklichkeit ein langwieriger, kontrollierter Prozess, für den sich die Malerin viel Erfahrung über das Verhalten der einzelnen Malmittel aneignen musste. Für den Betrachter ist das ein Segen: Denn die Werke von Amort geben den Landschaften jene Haptik zurück, die ein Foto oder Fernsehbild nicht haben kann, und machen die Verbindung von Farbe und Struktur deutlich. Denn was auf dem Foto wie eine einheitliche Fläche aussieht, ist in Realität das Ergebnis riesiger, physikalischer Kräfte und chemischer Reaktionen im titanischen Ausmaß und über einen langen Zeitraum hinweg. Diese organische Seite spiegeln die Arbeiten von Marlene Amort. Ihre Landschaften sind ebenso von Urkräften geprägt, wie die Landschaften, die sie inspiriert haben – nur eben in viel kleinerem Maßstab. Denn wenn etwa die Spannung der Farboberfläche so groß wird, dass sie bricht, ist das auch ein physikalischer Vorgang. Die typischen Wasserspuren sind abhängig von der Härte des Untergrundes und da ist es egal, ob sich das Wasser durch Kalkstein oder Marmormehl graben muss. Über die Jahre hat sich die Künstlerin nun einen Werkkosmos erschaffen, der in allen Farben der Erde schillert – von den unterschiedlichen Blautönen der Meeresgebiete, zum grüngelb tropischer Landzonen bis zu den von Grau bis hin zu Rot changierenden Erdtönen der Berg- oder Wüstengegenden. Die Farbbrillianz ihrer Arbeiten entsteht durch die Verwendung reiner Pigmente, die Amort ganz in der Tradition der alten Freskomaler als Eitempera aufträgt. Auf diese Weise verbinden sich die Farbpartikel unlöslich mit dem Untergrund. Leider sind Bilder, die eine unberührte Landschaft zeigen, inzwischen selten geworden. Dank des Fortschritts stehen der Menschheit heute Techniken und Geräte zur Verfügung, die ganze Landstriche umwandeln, Flüsse umbetten, Berge abtragen und dabei tiefe Krater und verfärbte Seen hinterlassen. Es sind hässliche Spuren, die deutlich zeigen, wie maß- und rücksichtslos die Gier nach Bodenschätzen geworden ist. Solche Bilder der Umweltzerstörung und -vergiftung lösen in Marlene Amort Wut aus. Es isteine ohnmächtige Wut angesichts des Ausmaßes dieser Zerstörung und der Gleichgültigkeit, mit der sie hingenommen wird. Gegen diese Gleichgültigkeit malt sie an; erschafft Werke, die die Schönheit der Welt in ihrer ganzen Pracht, aber auch ihrer ganzen Zerbrechlichkeit zeigen. Sie möchte im Betrachter das Gefühl der Ehrfurcht vor der Erhabenheit der Erde zurückgeben und zeigen, wie unwichtig klein der Menschen gegenüber solchen Kräften eigentlich ist. Insofern schließt sie sich dem Forscher Alexander von Humboldt an, der feststellte: Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben. Und wer die Natur nur sieht und abstrahiert, wird ihr selbst ewig fremd bleiben. Natur muss gefühlt werden.